Der silberne Elefant – Jemma Wayne

Autorin: Jemma Wayne
Übersetzerin: Ursula C. Sturm
Verlag: Eisele Verlag
ISBN: 978-3-96161-111-9
Format: eBook
Seiten: 348

Klappentext

Die junge Emilienne ist dem Bürgerkrieg in Ruanda entkommen und hat in London ein neues Leben begonnen. Die grausamen Erinnerungen an ihre Heimat versucht sie zu verdrängen. Vera hat in jungen Jahren einen Fehltritt begangen und möchte ein guter und moralischer Mensch sein – wenn nur ihre quälenden Schuldgefühle nicht wären und die Unmöglichkeit ihrem Verlobten davon zu erzählen. Und die 56-jährige Lynn ist schwer erkrankt und rechnet schonungslos mit den verpassten Chancen ihres Lebens ab. Alle drei Frauen werden von dunklen Geheimnissen und seelischen Verletzungen geplagt, doch auf sich allein gestellt, gelingt es ihnen nicht, die Dämonen ihrer Vergangenheit zu verscheuchen. Erst als sich ihre Wege eines kalten Winters kreuzen, bewegt sich etwas in ihnen – und langsam, ganz langsam, beginnen sie, einander zu stützen und für die Zukunft zu stärken.

Meine Meinung

Ich habe das Buch zusammen mit Florian Valerius, Julia Eisele vom Eisele Verlag und einigen anderen Bookstagramern gelesen, der Austausch hat richtig Spaß gemacht und so manchen Aha-Moment gebracht.

Drei Frauen, drei Schicksale. Zum einen Vera, die als junge Frau auf die schiefe Bahn geraden ist und eine für sie schreckliche Entscheidung getroffen hat und versucht durch den christlichen Glauben ein besserer Mensch zu werden.
Lynn, die Mittfünfzigerin, die unheilbar erkrankt ist und ihre vergangenen Lebensentscheidungen sehr bereut.
Und Emily, eigentlich Emilienne, die einzige Überlebende ihrer Familie nach dem Völkermord in Ruanda.
Das Leben führt diese drei Frauen zusammen und eine Aufarbeitung ihrer unterschiedlichen Vergangenheiten beginnt.

Als der Genozid in Ruanda geschah, war ich zehn Jahre alt und habe nichts davon mitbekommen, zumindest nicht bewusst. Thema in der Schule ist es auch nie gewesen und die Erzählung der Autorin ist erschreckend.

Der christliche Glaube spielt hier eine sehr große Rolle, was mir an einigen Stellen zu extrem war. Ja, der Glaube kann helfen, durchs Leben zu gehen und für manches eine Erklärung zu finden. Aber das Leben komplett danach auszurichten und auf die Bibel zu pochen, das widerstrebt mir zutiefst.
Vera, die verlobt ist mit dem Sohn von Lynn, versucht ihre Vergangenheit hinter sich zu lassen und ein „braves Mädchen“ zu werden. Ihr altes Ich lässt sich jedoch nicht los.
Spannend fand ich, dass ich hier in Bezug auf Vera den richtigen Riecher hatte.

Lynn ist schwer krank und hat nicht mehr lange zu leben, sie hadert sehr mit ihrer aktuellen Situation und trauert verpassten Chancen hinterher. Aus eigenem Willen hat sie zugunsten ihres Mannes ihre Karriere aufgegeben.
Ihre Wut darüber lässt sie häufig an Vera aus, die mit ihrem Sohn Luke verlobt ist.

Emily ist die einzige Überlebende des Genozids am Stamm der Tutsi in Ruanda und schlägt sich nach ihrer Flucht nach London mehr schlecht als recht durch. Sie arbeitet als Reinigungskraft und kommt so in Lynns Haushalt. Ihr Alltag ist geprägt von heftigen Flashback und Alpträumen.
Ich finde es sehr problematisch, wie hier die Aufarbeitung dieses Traumas vonstatten geht. Ohne professionelle Hilfe und mit heftigen Flashbacks finde ich das mehr als fahrlässig.

Sowohl Lynns als auch Veras Probleme sind hausgemacht, beide hätten sich anders entscheiden können. Bleibt die Frage, wie sehr lasse ich mich von meiner Vergangenheit bestimmen und leiten?
Einzig Emily hatte nicht die Wahl, für sie ging es um das nackte Überleben.

Jemma Waynes Schreibstil ist flüssig und wortgewandt, manche ihrer Beschreibungen waren sehr bildgewaltig und verstörend, sodass ich mir hier eine Triggerwarnung gewünscht hätte. Die Charaktere sind gut ausgearbeitet, Sympathie und Unverständnis wechseln sich immer wieder ab.
Was mich etwas stört ist, dass eine weiße Autorin über den Genozid schreibt. Jemma Wayne hat zwar mit Betroffenen gesprochen, dennoch finde ich es schade, dass es kein Own Voice ist.
Ja, diese Geschichten müssen erzählt werden, aber dann besser als alleiniger Erzählstrang und nicht mit so viel anderen Themen (Schuld, Vergebung, Sexualität, Tod, Krankheit, Trauma, Bürgerkrieg) vermischt.

Insgesamt dennoch eine gute Geschichte, die ich an zwei Tagen gelesen habe. Und das Lesen in einer Gruppe und den Austausch dazu kann ich nur empfehlen. Es macht Spaß, es kommen so manche Aha-Momente auf und andere Sichtweisen lernt mensch auch noch kennen.

Und welche Rolle der titelgebende silberne Elefant spielt, müsst ihr selbst herausfinden.


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